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Zentrum
jüdischen Lebens
in Hamburg

Die Synagoge am Bornplatz im Hamburger Grindelviertel wurde 1906 eingeweiht. Sie diente der Deutsch-Israelitischen Gemeinde als Hauptsynagoge. In unmittelbarer Nähe wurde 1911 das Gebäude der Talmud Tora Schule errichtet.

In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Bornplatzsynagoge von Nazis verwüstet und 1939 abgerissen, nachdem das Grundstück an die Stadt verkauft werden musste. Fünfzig Jahre nach der Zerstörung wurde der ehemalige Standort umgestaltet, seitdem erinnert ein Bodenmosaik an die Synagoge. Im Februar 2020 stimmte die Hamburger Bürgerschaft einstimmig dafür, den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge zu unterstützen.

Bornplatzsynagoge Postkartenmotiv "Neue Synagoge"  © Unbekannt

1902 erwarb die Jüdische Gemeinde einen Bauplatz von der Finanzdeputation, den Bornplatz. 1904 begann dort der Bau der Synagoge nach den Plänen der Architekten Ernst Friedheim und Semmy Engel. Das Gebäude umfasste insgesamt 1200 Plätze - 700 für Männer und 500 für Frauen.

Die Einweihung der Bornplatzsynagoge fand am 13. September 1906 statt.

Sie war die erste Hamburger Synagoge, die sichtbar und auf einem Platz freistehend errichtet wurde. Sie wurde im neoromanischen Stil gestaltet, wobei romanische Elemente, wie z.B. die Rundbögen, mit gotischen - die Rosetten oder das Maßwerk in den Fenstern – kombiniert wurden. Ein Zeichen dafür, dass diese Synagogenarchitektur gleichzeitig mit den Vorläufern der Moderne entstand, ist die schlichte, reduzierte Außengestaltung der massiven Wände mit ihren glatten Oberflächen. Zeitgenössisch sah man in der Kombination romanischer und gotischer Formen einen "deutschen Stil", mit dem die jüdische Gemeinde ihre Zugehörigkeit zum deutschen Staat und ihren Anspruch auf Gleichberechtigung zum Ausdruck bringen wollte.

Bornplatzsynagoge, Kuppel © Unbekannt
Bornplatzsynagoge, Kuppel © Unbekannt

Die Bornplatzsynagoge wurde von einer mächtigen, leicht nach oben gezogenen Kuppel mit einem vergoldeten Davidstern gekrönt. Diese braun eingedeckte Kuppel war 39 Meter hoch und schon von weitem sichtbar.

Der Bornplatzsynagoge schloss sich ein Gemeindezentrum an. Man erkannte die städtebauliche Einheit, die Gemeinsamkeit, aber dennoch eine klare Abgrenzung zwischen sakralem Synagogenbau und dem Nebengebäude. Im Nebengebäude befanden sich Verwaltungsräume, eine Wochentagsynagoge, die Mikwe (rituelles Tauchbad), ein Vorlesesaal und einige weitere Nutzräume.

Am 9. November 1938 erreichte die Gestapo-Stelle in Hamburg um 23:55 Uhr ein Fernschreiben der Berliner Geheimen Staatspolizei, die Aktionen gegen Juden, insbesondere gegen Synagogen ankündigte. Die Order beinhaltete auch, dass diese „Aktionen“ nicht gestört werden dürften und dass lediglich durch die Ordnungspolizei sicher zu stellen sei, dass keine Plünderungen stattfinden sollten.

Abriss der Bornplatzsynagoge, Copyright Unbekannt
Bild vom Abriss © Unbekannt

In derselben Nacht erreichte die Hamburger Gestapo um 1:20 Uhr ein Fernschreiben aus Berlin mit dem Befehl, es seien so viele Juden festzunehmen, wie in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden könnten. In Hamburg rückten in den frühen Morgenstunden des 10. Novembers SA-Kommandos aus, zerstörten Synagogen, Verwaltungsgebäude der jüdischen Gemeinden, Geschäfte und Privatwohnungen von Juden.

Am selben Morgen wurden gegen 6 Uhr Flammen in der Bornplatzsynagoge beobachtet. Eine Gruppe von Menschen hatte sich vor der großen Synagoge versammelt - Scheiben wurden eingeworfen und Feuer gelegt. Randalierer drangen in die Synagoge ein und schändeten die Tora und andere kultische Gegenstände. Erst um 21:50 Uhr, fast 16 Stunden nach Brandbeginn, meldete die ortsansässige Feuerwehr, dass ein Kleinfeuer in der Synagoge am Bornplatz ausgebrochen sei.

Am 10.11.38 wurde um 18:00 Uhr im Radio das Ende der Ausschreitungen verkündet, was jedoch weder den Schutz von Synagogen bedeutete noch das Ende der Verhaftungsaktion. Einige Juden nahmen sich das Leben, um sich der Festnahme, der Folter und dem KZ zu entziehen.

Nicht nur Synagogen, auch viele jüdische Geschäfte wurden im Pogrom vom November 1938 zerstört.

1939 wurde die Jüdische Gemeinde gezwungen, das Grundstück am Bornplatz zu einem geringen Preis an die Stadt zurückzugeben und musste die Kosten für den Abriss der beschädigten Synagoge tragen.

Nach 1945 war das Unrecht nicht vorbei. Die Verfahren zur Rückerstattung geraubten jüdischen Vermögens waren teils vorbelasteten Beamten überlassen. In einem Bericht zum Umgang Hamburgs mit dem Bornplatz beschreibt der Hamburger Historiker und Archivar Jürgen Sielemann Sielemann, wie Beamte den Grundstückswert kleinrechneten. Es sei ein "Trümmergrundstück", so das Bezirksamt, diese würden "grundsätzlich als nicht verwertbar angesehen". Aber: Die Universität benötige die Fläche für Erweiterungsbauten. Bis 1942 war auf dem Platz ein Hochbunker errichtet worden, den nutzte die Uni bereits als Bürogebäude. Der Rest wurde zum Parkplatz.

Synagoge am Bornplatz um 1920 Innenansicht © Stiftung Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte
Innenansicht © Stiftung Historische Museen Hamburg/Museum für Hamburgische Geschichte

Die von Holocaust-Überlebenden mühsam neu gegründete Jüdische Gemeinde forderte 1949 das Grundstück zurück. Doch die Finanzbehörde verhandelte gar nicht mit ihr, sondern hielt sich an die Jewish Trust Corporation for Germany (JTC). Die Treuhandorganisation hatte die Zulassung der britischen Militärregierung, die Ansprüche auf eigentlich herrenloses jüdisches Eigentum zu vertreten.

In der städtischen Liegenschaftsabteilung war an den Verhandlungen der Regierungsamtmann Hans-Jochen Rechter beteiligt, derselbe Beamte, der in der NS-Zeit für den erzwungenen Verkauf der jüdischen Grundstücke zuständig gewesen war, so Sielemann, für ihn eines der "fatalsten Beispiele personeller Kontinuität" in Hamburgs Nachkriegsverwaltung.

Die Rechtsstelle der Stadt erklärte, der Abbruch der Synagoge sei "nicht von der Hansestadt Hamburg", sondern vom Reichsstatthalter angeordnet worden – als könnte sie das von ihrer Verantwortung freisprechen. 1953 schlossen die Hansestadt und der JTC schließlich einen Vergleich, für Hamburg ein extrem vorteilhaftes Geschäft. Für einen Pauschalbetrag von 1,8 Millionen D-Mark übertrug die JTC der Stadt 150 "arisierte" jüdische Grundstücke, viele davon in Toplage, und verzichtete auf alle weiteren Ansprüche.

Für zehn andere Grundstücke aus jüdischem Besitz zahlte die Stadt 1,5 Millionen D-Mark, darunter das Synagogengrundstück Bornplatz sowie die benachbarte Talmud-Tora-Realschule. In der Bürgerschaft gab der Senat zu, dass die Kaufsumme unter dem Verkehrswert liege. Der Historiker Sielemann nennt das Pauschalabkommen "einen Skandal". Bis heute gehört das Grundstück der Stadt. Die Schule hat sie bereits 2002 zurückgegeben.

Mehr als tausend Synagogen wurden bei den Pogromen 1938 in Brand gesteckt und verwüstet. Inzwischen sind in vielen deutschen Städten zerstörte Synagogen teils an ihren alten Standorten wiedererrichtet worden, etwa 2001 in Dresden, 2006 in München, 2007 in Bochum, 2010 in Mainz, 2019 in Regensburg.

In Hamburg, wo vor 1933 die viertgrößte jüdische Gemeinde Deutschlands lebte, ließ man sich besonders viel Zeit. Bis heute müssen die Gläubigen mit einem wenig ansehnlichen Neubau in einem stillen Wohngebiet vorliebnehmen. Dass dort ein jüdisches Gotteshaus steht, wissen die wenigsten. Die Stadt übernahm damals die Kosten, als die Synagoge 1958 errichtet wurde. Das Gotteshaus ist inzwischen baufällig, 2013 musste es für rund zwei Millionen Euro saniert werden.

Nachkriegszeit: Recht und Moral wurde zitiert aus dem SPIEGEL Artikel „Wie Hamburg die Bornplatzsynagoge wieder aufbauen will“ von Anette Großbongardt (SPIEGEL Nr. 39/ 19.9.2020)

Heute ist der Platz der ehemaligen Bornplatzsynagoge ein Gedenkort, ein nichtbebauter, erst einmal leer erscheinender Fleck.In den Boden des Platzes wurde 1988 ein Bodenmosaik von Margit Kahl eingelassen, das durch graue Steine den Grundriss und das Deckengewölbe der abgerissenen Synagoge abbildet.

Bornplatz, Ansicht des Bodenmosaiks © Bild
Bornplatz, Ansicht des Bodenmosaiks © Bild

Zudem wurde der Platz in „Joseph-Carlebach-Platz“ umbenannt und eine Gedenktafel angebracht mit der Inschrift: „Möge die Zukunft die Nachfahren vor Unrecht bewahren.“

Seit 2004 gibt es eine weitere freistehende Gedenktafel, die auf Vorder- und Rückseite über die Geschichte der Synagoge und des Gedenkortes informiert.

In Hamburg kam Ende 2019 eine öffentliche Debatte auf über einen möglichen Wiederaufbau der Synagoge, wozu im Februar 2020 von der Hamburgischen Bürgerschaft ein Antrag für eine Machbarkeitsstudie einstimmig angenommen wurde.

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