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Interview mit Daniel Scheffer zum Neubau der Bornplatzsynagoge

Der Gründer der “Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge” Daniel Sheffer im Gespräch

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Interview

Der Gründer der “Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge” Daniel Sheffer im Gespräch

Was war der Auslöser, die “Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge” zu gründen?

„Für die Gründung der “Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge” hatte ich einen tiefen Wunsch nach Erhaltung der Erinnerung, Würdigung der Vergangenheit und Gestaltung einer hoffnungsvollen Zukunft jüdischen Lebens in Hamburg und Deutschland. Ich und meine Mitstreiter waren uns der Bedeutung des jüdischen Erbes in Hamburg bewusst, aber wir verstanden zugleich, dass die Geschichte dieser einst prächtigen Synagoge untrennbar mit den dunklen Kapiteln der Vergangenheit verbunden ist.“

Welche Rolle spielte dabei die “Krone der Bornplatzsynagoge” und was hat es damit auf sich?

„Ich habe, wenige Monate vor der Gründung der Initiative, im Spätsommer 2020 die sogenannte “Krone der Bornplatzsynagoge” bei einem Antiquitätenhändler in Hamburg entdeckt. Die wertvolle Krone schmückte einst die Torarolle in der früheren Bornplatzsynagoge.

Sie war sozusagen der einzig erhaltene, stumme Zeuge der Reichspogromnacht 1938, bei der die Bornplatzsynagoge gewaltsam geplündert und zerstört worden war. Und nun, nach mehr als 80 Jahren, trat sie wieder in unser Leben und ich hielt sie staunend in meinen Händen. Das war ein sehr emotionaler Moment.“

Wie ging es dann weiter?

Ich wollte die Krone für unsere Gemeinde retten und musste sie dafür zunächst erwerben. Was mich - ehrlich gesagt - noch immer ziemlich wütend macht. Ich - ein Hamburger jüdischen Glaubens - musste das Raubgut der Nazis erwerben! Ein Raubgut, das nachweislich meinen Vorfahren im Nationalsozialistischen Deutschland aus der damaligen Bornplatzsynagoge gestohlen wurde. Das fühlte sich sehr falsch an.

Und diese Ungerechtigkeit gab dann den Anstoß für die Gründung der Initiative mit der Kampagne „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge.“?

Ja genau. In vielen Gesprächen innerhalb aber vor allem auch außerhalb der Jüdischen Gemeinde spürte ich das Verlangen der Menschen, dass Hass, Diskriminierung oder schlichte Unwissenheit keine Zukunft in unserer Stadt haben darf. Wir erfahren eine steigende Anzahl antisemitischer Straftaten und erleben wie gefährlich es ist eine Kipa oder auch einen Davidstern in der Öffentlichkeit zu tragen. Wegen dieser immer noch traurigen Realität und wegen der Entdeckung der Krone, gründete ich dann mit großartigen Mitinitiator:innen die "Initiative zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge".

Das Kernteam der Initiative bestand aber vorrangig nicht aus Politik- oder Kommunikationsprofis, sondern mehrheitlich aus Hamburger:innen aus der Mitte unserer Gesellschaft, die sich bei der Kampagne und in der Initiative engagierten. Familienmütter und -väter, Student:innen, Politiker:innen und Unternehmer:innen.

Alle fanden die Tatsache falsch, dass die Bornplatzsynagoge noch immer zerstört ist und sogar das Grundstück, über all die Jahre, noch immer nicht der Jüdischen Gemeinde zurückgegeben wurde.

Und es wurde dann die erfolgreichste Kampagne für “Jüdisches Leben”, die es je in Hamburg und vermutlich Deutschland gegeben hat. Mehr als 100.000 Unterstützer:innen - darunter auch der heutige Bundeskanzler, der Erste und die Zweite Bürgermeisterin sowie weitere, Vertreter:innen aus Politik, Kultur, Sport, Religion, Wirtschaft und Gewerkschaften begleiteten und förderten die Kampagne.

Warum war der Zuspruch so groß?

Ich denke, der enorme Zuspruch für diese Initiative spiegelt den Glauben wider, dass aus der Zerstörung der Vergangenheit ein neuer Glanz entstehen kann. Viele Menschen denken aber auch, dass es vor allem um Recht und Sichtbarkeit jüdischen Lebens geht. Der Zuspruch steht für den Willen, eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen und aus der Geschichte zu lernen, um eine bessere Zukunft aufzubauen. Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge ist die Chance für eine sicht- und erlebbare, jüdische Zukunft in Hamburg.

Im Herbst 2020 wurden 600.000€ vom Bund bewilligt für eine Machbarkeitsstudie, die prüfen sollte, ob ein Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge möglich ist. Das Ergebnis war - “Ja, es ist möglich”. Wie sehen nun die weiteren konkreten Schritte und die Finanzierung aus?

Der Studie vorausgegangen ist ein intensiver Findungs- und Beratungsprozess innerhalb der Jüdischen Gemeinde, der Initiative “Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge” sowie wesentlichen Behörden und Vertretungen unserer Stadt. Die Machbarkeit einer engen architektonische Beziehung zwischen der Synagoge bis 1939 und der wiederaufzubauenden Synagoge sowie die Einbettung in das historische Gebäudeensemble im Grindel war das eine Ergebnis der Studie. Gleichzeitig wurde aber auch geprüft, wie die Synagoge von innen aussehen könnte, also wie ein Raumangebot für die traditionelle jüdische Liturgie und für die reformierte Liturgie im Judentum realisiert werden kann.

Diese Ergebnisse sind nun in eine konkrete Raumplanung zu übertragen, mit einem Architektenwettbewerb, einer Bauplanung usw.. Wesentlichen Schwerpunkt legen wir auf die frühzeitige und offene Kommunikation mit unseren Nachbarn und Anwohnern.

Wir wollen hier nicht auf einen Baubeginn warten, um wieder im Grindelviertel zu Hause zu sein. Wir werden ab 2024 - und damit wahrscheinlich Jahre vor dem Baubeginn - mit Veranstaltungen auf dem Bornplatz eine kulturelle Vielfalt und ein Angebot der Begegnung schaffen.

Im Mai 2021 ist die “Stiftung Bornplatzsynagoge” gegründet worden. Warum war dieser Schritt nötig und was ist die Arbeit der Stiftung?

Die Stiftung verankert die Zukunft der Bornplatzsynagoge in den Institutionen Hamburgs. Der Stiftungsrat fördert den Bau, die Kommunikation mit allen wesentlichen Stakeholdern der Stadt und insbesondere den Anwohnern. Für die Zukunft wesentlich dauerhafter werden die Aufgaben der Finanzierung des Betriebes, insbesondere das Programm zur Begegnung und des Erlebens jüdischen Lebens in der Mitte unserer Stadt und damit in der Mitte unserer Gesellschaft.

Dabei war es uns wichtig, dass im Stiftungsrat der Neuen Bornplatzsynagoge Vertreter des Bundes, des Landes und jüdische und nichtjüdische Menschen vertreten sind. Das jüdische Leben in Deutschland ist ein Leben in einer außerordentlichen Minderheit. Im Deutschland nach 1945 sind heute weniger als 0,2% der heutigen Bevölkerung jüdisch. Für die meisten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde ist das Leben in Deutschland selbstverständlich ein gemeinsames Leben mit Nichtjuden. Wir wollen dieses große Projekt daher zusammen angehen mit den Nachbarn, der Stadt Hamburg und der Bundesrepublik Deutschland.

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